Glaube im Alltag
- Sonntag im Jahreskreis C - Evangelium
7 Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten,
erzählte er ihnen ein Gleichnis.
Er sagte zu ihnen:
8 Wenn du von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen bist,
nimm nicht den Ehrenplatz ein!
Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein,
der vornehmer ist als du,
9 und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat,
kommen
und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz!
Du aber wärst beschämt
und müsstest den untersten Platz einnehmen.
10 Vielmehr, wenn du eingeladen bist,
geh hin und nimm den untersten Platz ein,
damit dein Gastgeber zu dir kommt
und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf!
Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.
11 Denn wer sich selbst erhöht,
wird erniedrigt,
und wer sich selbst erniedrigt,
wird erhöht werden.
12 Dann sagte er zu dem Gastgeber:
Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst,
lade nicht deine Freunde oder deine Brüder,
deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein;
sonst laden auch sie dich wieder ein,
und dir ist es vergolten.
13 Nein, wenn du ein Essen gibst,
dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein.
14 Du wirst selig sein,
denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten;
es wird dir vergolten werden
bei der Auferstehung der Gerechten.
Kleines Gedankenspiel zu Beginn meiner Ausführungen.
Stellen Sie sich in Gedanken vor: Sie sind zu einer Hochzeit, einem runden Geburtstag oder einer größeren Festlichkeit eingeladen. Schon Tage vorher planen Sie diesen Tag gründlich durch: Was ziehe ich an, passt mein Outfit zu dem Anlass oder ggf. zu der Kleidung meiner Frau? Sehen und gesehen werden, na da muss zur Not noch ein neuer Anzug her.
Wer wird wohl alles eingeladen sein? Ob ich einige alte Freund*innen und Familienmitglieder treffe? Nicht zuletzt schwirrt oftmals die prekäre Frage im Raum: Wo werden wir sitzen?
Ehrlich gesagt fühle ich mich selbst dort am wohlsten, wo ich mit Freund*innen und Bekannten für gute Stimmung sorgen kann. Ich mag es, wenn gelacht wird oder aber auch die Etikette lockerer wird, indem man das Jackett ablegen kann und zum gemütlicheren Teil übergeht. Deshalb muss ich beispielsweise nicht unbedingt direkt neben dem Brautpaar oder den Gastgebern sitzen.
Eine Sitzordnung ist jedoch nichts Nebensächliches. Ich kenne Menschen, die zerbrechen sich als gute Gastgeber wochenlang vorher den Kopf, wen sie wohin setzen, damit sich alle Gäste nach Möglichkeit wohlfühlen. Oder anders gedacht, welchen Freund kann ich nicht neben XY setzen, damit es nicht zu Auseinandersetzungen oder gar Streitereien kommt. Es soll ja schließlich ein schönes und tolles Fest werden.
Von einem solchen großen Fest ist die Rede in unserem Sonntagsevangelium. Die Hochzeitsgäste beginnen, menschlich verständlich, sich die besten Plätze auszusuchen. Dies nimmt Jesus zum Anlass, ihnen (und uns) eine grundsätzliche Lehre zunächst über das rechte Verhalten eines Gastes zu erteilen. Er legt uns ans Herz, dass wir uns nicht die Ehrenplätze aussuchen sollen. Vielleicht gibt es unter den Festgästen vornehmere Gäste, die den Platz mehr oder redlicher verdient haben.
Lieber Jesus – bist Du da nicht ein bisschen unverschämt? Da haben sich die Gastgeber größte Mühe gegeben, um alles festlich vorzubereiten und dann kommt von Dir ein solcher öffentlicher Tadel für mich als Gast. Du beurteilst verbal und noch dazu öffentlich mein Verhaltensmuster als einer der vielen Gäste, nur weil ich mir einen schönen Sitzplatz für die Festlichkeit ausgesucht habe.
Das hätte mir wahrscheinlich schon dermaßen die Stimmung „verdorben“, dass ich aufgestanden wäre, um nach Hause zu fahren. Aber die Belehrung Jesu für das heutige Fest ist noch nicht zu Ende, denn auch die Gastgeber bekommen „ihr Fett weg“ und werden zurechtgewiesen. Wahrscheinlich hat sich Jesus gedacht, was ist das hier für eine „Klüngelwirtschaft“, da werden nur Familie und wohlhabende Bekannte eingeladen, weil es vermutlich viele Geschenke gibt oder weil ich für später einmal Vorteile zu erhoffen wage. Und die barsche Kritik geht noch weiter mit einer gerne überlesenen Aussage: „Wenn Du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein!“
Jesus fordert uns heraus, unsere Gastfreundschaft nicht auf diejenigen zu beschränken, die uns zurückgeben können. Wahre Gastfreundschaft zeigt sich darin, dass wir auch diejenigen einladen, die in unserer Gesellschaft oft übersehen oder vernachlässigt werden. Es geht darum, unser Herz und unser Zuhause für alle zu öffnen und in unserer Gemeinschaft Raum für jeden zu schaffen.
Mir stößt dieses Evangelium gehörig auf! Ich fühle mich ertappt, wenn ich an meine persönlichen Festlichkeiten zurückdenke. Ich bin dankbar für viele Menschen, mit denen mich zum Teil eine jahrzehntelange Beziehung verbindet. Durch dieses Evangelium allerdings muss ich mich ernsthaft in meiner Lebens- und Feierwelt anfragen lassen.
Warum erzählt Jesus dieses Gleichnis? Es wirkt vom Gefühl her ein wenig wie aus dem Himmel gefallen. Ich stelle zunächst einmal fest, von Gott jedenfalls ist keine Rede. Will Jesus einfach nur ein paar „Knigge-Verhaltensweisen“ aufzeigen? Ganz sicher nicht! Es geht ihm um die neue Welt Gottes, die er verkündigt. Es geht ihm eigentlich nie um etwas Anderes!
Wir kommen seiner Botschaft auf die Spur, wenn wir das „Drumherum“, sozusagen die Schrifttexte zuvor und danach, beachten und wahrnehmen.
Zu Beginn des Kapitels wird von dem Evangelist Lukas berichtet, dass Jesus bei einem Pharisäer zum Essen eingeladen war. Dabei ist der Gastgeber nicht irgendein Mann, sondern ein führender Pharisäer. Und dieses Festmahl findet auch nicht an einem gewöhnlichen Tag, sondern an einem Sabbat statt. Dadurch bekommen wir einen wichtigen Hinweis auf die Situation vor Ort. Die Problematik spitzt sich in der uns bekannten Frage zu, ob es erlaubt ist, am Sabbat zu heilen? Jesus stellt bei dieser Begegnung die prekäre Frage: Ist es erlaubt am Sabbat einen Menschen zu heilen oder nicht? Da schwiegen die Pharisäer und Jesus berührte den Mann und heilte ihn.
Wenn wir diesen Zusammenhang beachten, dann können wir den barschen Umgangston Jesu besser einsortieren. Und hierbei habe ich für Jesus volles Verständnis. Wenn ich einmal „emotional“ geladen bin, dann rutschen mir auch Dinge heraus und ich fahre andere Menschen schon mal lautstark über den Mund. Und scheinbar ging es Jesus genauso. In dieser aufgeladenen Stimmung, wo er gerade schon mal dabei war, den Pharisäern ordentlich seine Meinung zu sagen, da lässt er nichts unversucht und akzentuiert ganz ohne Scheu die zentrale Botschaft von der Gottesherrschaft. Es geht ihm um die „Spielregeln“, die dort gelten. Und die sind nicht kompliziert, sondern ganz einfach und kinderleicht!
Auf diese Art und Weise hält er mit seiner Unterweisung den führenden Kreisen Israels und auch uns heute einen Spiegel vor. Und wer meint, guten Gewissens in den Spiegel schauen zu können, dem kann in diesem Moment auch ein nachdenkliches Gesicht entgegenschauen. Denn eine Mahnung zur Bescheidenheit, so wie sie unser kürzlich verstorbener Papst Franziskus immer wieder kritisch angemahnt hat, sie würde auch unseren führenden Kreisen, mir und vielleicht auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, gut stehen. Wir als Kirche dürfen uns nicht vorrangig mit uns selbst beschäftigen, sondern mit unseren Aufgaben und den uns anvertrauten Menschen.
So stellt sich unmittelbar die Frage, könnten wir mehr für die Armen und Ausgestoßenen unserer Tage tun? Das Wesen des Reiches Gottes, das wir Christen in unserer Nachfolge sichtbar machen sollen, kann nicht ohne die gemacht werden, die ohne uns nichts zu lachen, nichts zu essen und keinen ansehbaren Platz in unserer Gesellschaft haben.
Immer wieder erlebe ich, dass wir uns schwertun einer offensichtlich obdachlosen Person zu begegnen, geschweige denn die Hand zum Friedensgruß zu reichen. Und manche frommen Gottesdienstbesucher*innen fühlen sich schon durch die Anwesenheit dieser Menschen gestört. Sicher ist es manchmal eine Überwindung, vor allem, wenn sich jemand etwas unkonventionell verhält oder auch nicht ganz so gepflegt daherkommt. Die meisten beginnen ja sehr rasch damit, uns um ein paar Euro „anzuschnorren“.
Ich muss nicht jedem und allen helfen, aber wenn wir bescheiden reagieren, dann bin ich aufgefordert, dem Blinden, dem Lahmen, dem Armen mit Respekt und Anstand zu begegnen. Nennen wir diese Grundhaltung „Demut“, im Gegensatz zu was wir unter Hochmut verstehen, besonders dann, wenn andere uns herablassend beurteilen oder aber erst gar nicht wahrnehmen.
Diese Art, den Menschen in christlicher Würde zu begegnen, lässt sich einüben. Gott die Ehre zu geben bedeutet mit offenen Augen und einem offenen Herzen bei den Menschen zu sein! Wer so lebt, der gewinnt eine große und innere Freiheit, die nicht mehr darüber nachdenken lässt, sich auf irgendwelche Ehrenplätze setzen zu müssen.
Rüdiger Glaub-Engelskirchen,
Gemeindereferent in der Pfarreiengemeinschaft Schweich