Erntedank
Erntedank
Liebe Gemeindemitglieder,
dieses Jahr hat der Herbst bei uns ungewöhnlich früh begonnen. Ich war ehrlich gesagt etwas entsetzt - konnte und wollte es kaum glauben, dass der Sommer schon vorbei sein sollte, als Mitte August die Felder rund um unsere Gemeinde bereits abgeerntet waren.
Das goldene Getreide, das sonst noch bis in den September hinein steht, war schon eingefahren. Die Landschaft hat sich rasch verändert - und mit ihr auch unsere Wahrnehmung: Der Sommer verabschiedet sich still, und die nächste Jahreszeit tritt spürbar hervor.
Nun beginnt auch die Weinlese und die Reben tragen schwer an den süßen Früchten eines Jahres, das von Sonne, Regen und viel Geduld geprägt war. Die Trauben sind ein Symbol für das, was gewachsen ist - nicht nur in der Natur, sondern auch in unserem Leben.
Wenn wir auf die Fülle blicken, die uns umgibt, wird uns bewusst, wie viel Grund zur Dankbarkeit wir haben. Und doch leben wir in einer Welt, die oft von Mangel, Krisen und Sorgen spricht. Umso mehr lädt uns das Erntedankfest ein, den Blick zu wenden: Was ist da? Was trägt mich? Was erfüllt mein Leben mit Sinn und Segen?
Diese Fragen führen uns mitten hinein in die geistliche Tiefe des Herbstes. Sie öffnen den Blick für das, was wir empfangen haben - und erinnern uns daran, dass wir nicht allein unterwegs sind. Die Bibel spricht davon mit großer Klarheit und Trost: Gott hat seiner Schöpfung eine verlässliche Ordnung gegeben. Solange die Erde besteht, werden Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nicht aufhören (vgl. Genesis 8,22).
Diese Worte sind eine Zusage: Gott bleibt treu. Und wir sind eingeladen, mit offenen Augen und dankbarem Herzen durch diese Welt zu gehen. Gerade jetzt, wo die Natur sich langsam zurückzieht, spüren wir: Alles hat seine Zeit. Auch das Loslassen, das Ruhen, das Warten. Vielleicht ist Erntedank auch ein Fest, das uns lehrt, nicht alles machen zu müssen, sondern zu empfangen - und zu danken. „Die Dankbarkeit ist die Quelle aller echten Frömmigkeit.“ (Johann Gottfried Herder)
Dankbarkeit ist mehr als ein Gefühl - sie ist eine Haltung. Sie öffnet unser Herz für das, was wir oft übersehen: die kleinen Wunder des Alltags, die Begegnungen, die uns stärken, die Natur, die uns trägt. Gerade in einer Zeit, in der vieles unsicher scheint, ist der Blick auf die Schöpfung ein Trost und eine Einladung zur Hoffnung.
Diese „sehr gute“ Schöpfung ist uns anvertraut. Sie ist nicht nur Kulisse, sondern Mitgeschenk. Erntedank erinnert uns daran, achtsam zu leben, sorgsam mit den Ressourcen umzugehen und das Leben als Gabe zu sehen - nicht als Besitz.
Vielleicht können wir in diesem Herbst bewusst fragen: Was ist in meinem Leben gereift? Wofür bin ich dankbar? Was darf ich loslassen - und was neu empfangen?
Ich wünsche Ihnen und Euch eine gesegnete Herbstzeit - mit offenen Augen für das Gute, mit einem dankbaren Herzen und mit dem Vertrauen, dass Gott auch in den dunkler werdenden Tagen bei uns ist.
Gemeindereferentin Astrid Koster