Vorwort

„Es breitet sich in unserer Gesellschaft eine seelische Hornhautmentalität aus, die die Menschen unempfindlich macht für die wirklichen Nöte ihrer Mitmenschen. Die
Verrohung der politischen Klassen, auch der Parteien, wird immer stärker und führt zu gewaltigen Fehlern, vor allem in der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik“ stellt der ehemalige Sozialminister von Rheinland-Pfalz Heiner Geissler bereits 2009 (!) fest in seinem Buch Ou Topos. Suche nach dem Ort, den es geben müsste, Hamburg 2017. Und für ihn ist „das Charakteristische an der
gesellschaftlichen Entwicklung: nämlich die immer weiter um sich greifende Entsolidarisierung. Selbst der
überzeugteste Monetarist und Fiskalfetischist müsste
eigentlich erkennen, dass die finanziellen Folgeschäden einer entsolidarisierten Gesellschaft größer sind als alle Kosten einer Gesellschaftsordnung, die den Menschen nicht zum Kostenfaktor degradiert, sondern sich am christlichen und humanen Menschenbild orientiert.“

Mit dem Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu, welches wir jedes Jahr am 3. Freitag nach Pfingsten begehen, werden wir Christen auf ein wichtiges Detail des Karfreitags
verwiesen: auf die Seitenwunde Jesu.

Gott beweist seine Solidarität und Anteilnahme am Leid von uns Menschen dadurch, dass er in seinem Sohn Jesus Christus den Kreuzweg geht bis zum Ende auf Golgotha, wo Jesus den schmählichen Tod eines Verbrechers
erleidet. Doch selbst im Sterben zeigt er Mitleid mit dem reuigen Schächer am Kreuz und verheißt ihm noch heute den Einzug ins Paradies (Lk 23:43). Und selbst nach Jesu Tod wird der Akt, mit dem die hinrichtenden Römer den Tod des Deliquenten sicherstellen wollten, zu einem Akt des Mitleids. Nicht die Beine werden dem offensichtlich bereits verstorbenen Heiland gebrochen, sondern seine Seite wird mit einer Lanze durchbohrt (Joh 19:34). Und „aus seiner geöffneten Seite
strömen Blut und Wasser, aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die
Sakramente der Kirche“ heißt es darum auch in der Präfation des Festtags und weiter hören wir „Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles.“ - Das ist der Kern unseres christlichen und humanen Menschenbildes: das Herz unseres Erlösers steht offen für alle! Aber dieses Herz ist nicht unversehrt, sondern verwundet und durchbohrt. Und doch zeigt sich gerade in dieser Verwundung Gottes Stärke: das durchbohrte Herz wird zu einem Brunnen. Denn aus ihm strömen Blut und Wasser als
Zeichen für Taufe und Eucharistie, in denen wir immer wieder die Solidarität
Gottes mit uns Menschen erfahren und feiern dürfen.

So wünsche ich uns in diesem Sinne - frei nach dem Sänger Van Morrison -, dass wir unser Herz denken lassen und unser Kopf zu fühlen beginnt, denn so werden wir die Welt ganz neu betrachten. Und wissen, was wirklich wahr ist.

Ihr Kooperator Pfr. Axel Huber